Letzte Jahr fand ich heraus, wie Gazzosa zu Hause hergestellt werden kann. Mit der Methode war ich ziemlich zufrieden, bis zu dem Tag, an dem eine Glasflasche explodierte. Es war ganz und gar meine Schuld, ich hatte die ersten Bläschen übersehen und die Flasche viel zu lange der Sonne ausgesetzt. Die Schweinerei hielt sich, dank des dicken Tontopfes auf dem Fensterbrett, in dem die Gazzosa zur Sicherheit stand, in Grenzen. Trotzdem war mir die Freude vorerst gründlich vergangen. Aber so ganz konnte ich es dann doch nicht ruhen lassen, denn der Sache mit dem Ingwer wollte ich noch auf den Grund gehen. In einem italienischen Kochforum wurde die Möglichkeit vorgestellt, statt Weinsteinpulver und Bier, Ingwer einzusetzen, um die Flüssigkeit zum Blööterle zu bringen. Auch nach einer mühseligen Wort-für-Wort-Übersetzung verstand ich nicht, wie das chemisch-biologisch-physikalisch funktionieren sollte. Es schien, laut einigen Rückmeldungen, bestens zu klappen. Aber wie genau? Das blieb mir ein Rätsel. Weitere Recherchen in den folgenden Wochen führten mich zu diversen englischsprachigen Seiten und Blogs, auf denen das Geheimnis der Herstellung dieser so genannten Gingerbugs gelüftet wurde.
Links frisch angesetzter Ingwerbug, mittig Kurkumabug und rechts Ananasessig |
Viele der Anleitungen im Netz beziehen sich auf The Art of Fermentation von Sandor Ellix Katz, DEM Standardwerk zum Thema Fermentation. Ich hatte ja gehofft, dass irgendein deutscher Verlag das Potential dieses Buches erkennen und es übersetzen würde, aber nix war's. Vielleicht in ein paar Jahren, aber bis dahin wollte ich nicht warten. Also habe ich es mir, trotz Bedenken hinsichtlich der Verständlichkeit, aus Amerika einfliegen lassen. Es hat sich gelohnt und ich kann es jedem, der über ausreichende Englischkentnisse verfügt, wärmstens empfehlen. Ab Seite 147 geht er ausführlich auf die Herstellung von fermentierten Getränken ein. Das Ansetzen eines "Bugs" (Grundansatz, von mir Ursuppe genannt) ähnelt verblüffend der Methode, wie man sich einen Sauerteig heranzüchtet. Durch die tägliche Fütterung beginnt die Ursuppe zu blubbern und bald kann ein Teil zum "Impfen" einer neuen Menge abgenommen werden. Die geimpfte Flüssigkeit beginnt nach wenigen Tagen selber zu blubbern. Wissenschaftlich erklärt: Zucker wird in Kohlensäure umgewandelt, d.h. durch Fermentation findet eine natürliche Karbonisierung statt.
Hört sich natürlich viel komplizierter an, als es wirklich ist. Man braucht nicht mehr als ein grosses Einmachglas, ein Stück Tuch oder einen Kaffeefilter aus Papier, ein Gümmeli, Wasser, Zucker und frischen Ingwer oder Kurkuma. Ob Bio oder nicht, Vollrohrzucker oder Haushaltszucker, da gehen die Meinungen auseinander. Für den Ansatz der Ursuppe empfehle ich Rhizome aus biologischem Anbau und einen Löffel voll Rapadura, damit habe ich sehr gute Ergebnisse erzielt. Denn die ganzen nützlichen Bakterien und Hefen, die auf der Schale sitzen, garantieren zusammen mit dem schonend verarbeiteten Rohrzucker einen richtig guten Start. Es geht natürlich auch mit Ingwer aus dem Supermarkt bzw. Kurkuma aus dem Asialaden, dann aber bitte geschält verwenden. Bei Bioware reicht kurzes Abspülen. Eine durchgehende Fütterung mit Rapadura ist zwar möglich, beeinflusst Farbe und Geschmack aber so sehr, dass ich normalen, weissen Zucker bevorzuge. Für Ginger Root Beer ist Rapadura hingegen perfekt geeignet.
Fertiger Kurkumabug am siebten Tag |
Raspeln oder fein hacken? Beim Kurkuma konnte ich keinen Unterschied feststellen, doch geraspelter Ingwer entwickelt einen stärkeren/schärferen Geschmack als gehackter. Wer die typische Schärfe von Ginger Beer mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Mein Magen verträgt das nur in sehr kleinen Mengen, deshalb ist der Kurkumabug mein persönlicher Favorit. Er ist viel milder, sticht nicht so hervor und soll ja nebenbei gleich noch Krebs, Alzheimer und diverse andere Krankheiten vorbeugen. Ob das stimmt oder nicht, müssen andere beurteilen. Ich geniesse meine Limonaden weil sie mir schmecken, und nicht weil ich sie für ein neues Allheilmittel halte. Fermentierte Lebensmittel sollen ja generell gesünder sein und gegen ein bisschen natürliche Vorsorge nebenbei hätten wir ja auch nichts, oder? :-)
Für den Bug/die Ursuppe:
- ein grosses Einmachglas (so 750 ml Fassungsvermögen sollte es schon haben)
- frischer Ingwer und/oder Kurkuma
- Zucker
Glas gründlich mit heissem Wasser und Spülmittel reinigen. Abtropfen lassen und 500 ml kaltes Wasser einfüllen. In Gegenden, in denen das Leitungswasser stark gechlort ist, empfiehlt sich stilles Mineralwasser aus der Flasche. Ein etwa daumengrosses Stück Rhizom abbrausen oder schälen und fein raspeln oder hacken. Die Stückchen und ein Esslöffel (Vollrohr)Zucker in das Glas geben. Mindestens eine Minute kräftig rühren, damit Schwung in die Sache kommt. Mit einem sauberen Tuch oder einem halbierten Kaffeefilter aus Papier abdecken und mit einem Gümmeli fixieren, so dass Fruchtfliegen keine Chance auf ein Bad haben. An ein warmes, ruhiges Plätzchen (mindestens 20 Grad) stellen und während den folgenden sechs Tagen jeweils mit einem gestrichenen Esslöffel Ingwer- oder Kurkumaraspel und der gleichen Menge Zucker füttern. Immer mindestens so lange Rühren, bis sich der Zucker vollständig aufgelöst hat.
Nach ein paar Tagen treiben viele Stückchen an der Oberfläche und die Flüssigkeit beginnt leicht zu schäumen und zu blubbern. Der Kurkumabug war bei mir nach drei Tagen so weit, beim Ingwerbug dauerte es sechs Tage. Beim Ingwerbug kann man übrigens auch hören, wenn er einsatzbereit ist. Die Bläschen platzen mit lautem Ploppen, wenn das Glas bzw. die Flüssigkeit bewegt wird. Beim Kukumabug bleibt das Geräusch aus, er schäumt dafür kräftiger. Nach einer Woche sollten beide Bugs einsatzbereit sein, sonst noch ein paar Tage länger füttern. So lange die Flüssigkeit nicht anfängt grauslich zu stinken oder schimmelt, ist alles im grünen Bereich. Wenn sich allerdings nach über 10 Tagen konstanter Fütterung immer noch nichts rührt, wäre ein Neustart wohl keine schlechte Idee.
Für den Limoansatz wird nun ein Teil abgenommen. Auf 1,4 Liter gezuckerte Flüssigkeit nehme ich 100 Milliliter Ursuppe.* Am einfachsten geht das Abmessen mit einem kleinen Messbecher, auf dem ein Teesieb platziert wird. Lieber schöpfen als giessen, gibt weniger Sauerei. Die im Sieb verbleibenden Wurzelstückchen gehen am Anfang wieder zurück ins Glas. Später, wenn das Glas nach weiteren Fütterungen ziemlich voll ist, können sie gegessen oder entsorgt werden. Die abgenommene Flüssigkeit wird durch die gleiche Menge frisches Wasser ersetzt und gleich noch eine Fütterung mit je einem Esslöffel Ingwer/Kurkuma und Zucker vorgenommen. Ein, zwei Tage später ist der Bug dann wieder einsatzbereit.
Wer eine Produktionspause einlegen möchte, kann das Glas einfach im Kühlschrank parkieren. Deckel nicht ganz zudrehen, denn die Fermentation wird nur extrem verlangsamt, aber nicht vollständig gestoppt. Wichtig ist, dass der Bug mindestens einmal pro Woche zum Rühren an die frische Luft darf und regelmässig gefüttert wird. Am Anfang alle sieben Tage, ältere Kulturen halten auch mal zwei Wochen ohne Nahrung aus. Wenn die Fütterung längere Zeit vergessen wurde, gibt es einen einfachen Test, um zu sehen, ob es noch lebt. Aus dem Kühlschrank holen, doppelte Menge füttern, Deckel nur lose auflegen und einen Tag an der Wärme stehen lassen. Beginnt es wieder zu blubbern, ist alles okay. Wenn nicht, dann heisst es Abschied nehmen. Nach einem Aufenthalt im Kühlschrank muss der Bug ein, zwei Tage gefüttert werden, bevor er wieder einsatzbereit ist. Meine beiden Gläser stehen seit dem 7. Mai (natürlich mit Unterbrechungen) im Kühlschrank und der Inhalt blubbert immer noch putzmunter vor sich hin.
Um die Frage vorwegzunehmen: Muss es denn unbedingt Ingwer oder Kurkuma sein? Herr Katz berichtet in seinem Buch davon, dass es auch mit frischem Galgant klappt und hier und hier wird von gelungenen Versuchen mit Löwenzahnwurzeln bzw. Gobo berichtet. Das lässt natürlich viel Raum für neue Experimente. Ich denke da an Nelkenwurz, Krachai oder warum nicht mal einen Versuch mit Mais oder Wurzelgemüse starten? Freue mich natürlich über jede weitere Idee. *Limo- und Ketchuprezepte folgen in den nächsten Tagen. (Ja, ihr habt richtig gelesen. Fermentiertes Kurkuma-Ketchup).