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Wenn das Leben dir Unkraut gibt, mach Löwenzahnsirup daraus

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Mitte der Woche stand (oder treffender: sass, war gerade am Jäten) ich im Schrebergarten, als mein Blick auf die Parzelle nebenan schweifte. Dort bot sich ein pittoresker Anblick. Ein Blütenmeer, bestehend aus Taubnesseln, Schaumkraut, Löwenzahn und vielen anderen Unkräutern. Hübsch. Und mehr als ärgerlich.

Der Nachbar liess sich schon früher nie vor dem ersten Mai blicken. Gegärtnert wurde selten, meist kamen er und der lautstarke Anhang zum fröhlichen Barbecue mit anschliessender Müllentsorgung auf anderen Grundstücken. Flaschen, Korken, Essensreste, Knochen und diverse Plastikteile landeten dann bei uns drüben. Nun ist er seit zwei Jahren gar nicht mehr aufgetaucht. Nicht einmal zum Grillieren. Ein Krankenhausaufenthalt, wird gemunkelt. Genau weiss es keiner. In diesem Fall hat er mein Mitleid. Doch warum behält er dann den Garten? Keiner seiner zahlreichen Familienmitglieder oder Freunde hat sich dort je blicken lassen, um dem Urwald Einhalt zu gebieten. Soooo wichtig kann es ihm (oder ihnen) also nicht sein. Der Vorstand bemängelt bei Begehungen Bagatellen wie "ein Haufen Steine, stören das Umgebungsbild" oder "Spalier rostig", doch gegen die verwahrloste Parzelle, die nur aus Unkraut und Müll besteht, unternehmen sie nichts. So kann es nicht weiter gehen. Wir ersticken im Unkraut und jedes Lüftchen trägt neue Samen zu uns herüber. Später im Jahr werden seine Winden und Brombeeren wieder versuchen, unsere Beete zu überwuchern. Die verfaulenden Früchte unzählige Wespen anlocken, von der glitschigen Sauerei am Boden will ich erst gar nicht anfangen. Ein Kampf gegen Windmühlen. 

Letztes Jahr war ich deshalb an einigen Abenden mit der Heckenschere unterwegs. Heimlich, still und leise. Wohl ist mir dabei nicht, ich betrete nur äusserst ungern fremdes Eigentum, wenn ich nicht ausdrücklich eingeladen wurde. Aber bevor mir der Kragen platzt, gehe ich lieber eine Runde Sensenmann spielen. Als strenge Verfechterin von Traditionen, war ich auch dieses Jahr schon wieder in geheimer Mission unterwegs. Die abgeschnittenen goldgelben Blüten stimmten mich ein wenig traurig, deshalb sammelte ich einen Korb voll ein und kochte daraus Sirup. Er schmeckt wunderbar nach Sommer, Sonne, Kindheit und auch ein wenig nach Unkraut. Womit wir wieder beim Thema wären....*aargh*


Für ca. 650 ml:

  • 65 gr Löwenzahnblütenblätter 
  • gelbe Schale einer halben Bio-Zitrone, in breiten Streifen abgeschält

Blütenblätter in einen grossen Topf geben und mit der Hand ein wenig durchwirbeln, um auch die letzten Käfer aufzuspüren. Wenn alle Viecher gerettet sind, Blütenblätter mit Zitronenschale und 1,5 Liter Wasser aufkochen. Fünf Minuten sprudelnd kochen lassen. Herd ausschalten, Deckel auflegen und mindestens 12, besser 24, höchstens 36 Stunden ziehen lassen. Danach durch ein Mulltuch oder ein feines Sieb schütten. Blättchen nur sanft ausdrücken. Flüssigkeit ggf. ein zweites Mal durchsieben, dann abmessen oder abwiegen. Rechnet mit einer Ausbeute von ungefähr 1,2 Kilo Löwenzahntee. Zurück in den gereinigten Topf giessen.


  • Saft der oben erwähnten Zitrone, eventuell nach Geschmack auch mehr
  • 600 gr heller Rohrzucker oder normaler Rübenzucker 

Zitronensaft und Zucker zugeben und zum Kochen bringen. Falls sich viel Schaum bildet, diesen vorzu abschöpfen. Auf mittlerer Stufe 40 Minuten köcheln lassen. Nach Ablauf dieser Zeit sollte die Konsistenz dick wie Sirup sein. Sonst einfach noch länger kochen. Heiss in sterilisierte Flaschen oder Gläser füllen. Verschliessen und auf dem Kopf stellen, damit sich ein Vakuum bilden kann. Ungeöffnet ist der Sirup mindestens ein halbes Jahr haltbar, geöffnet und im Kühlschrank gelagert etwa einen Monat. 


Anmerkung: Um 65 Gramm Blütenblätter zusammen zu bekommen, müssen etwa 200 Blüten gepflückt werden. Das entspricht so ungefähr dem Inhalt einer Knistertüte oder einer Salatschüssel voll. Nicht waschen, nur kräftig ausschütteln! Anschliessend Stiele und alles Grüne mit einem Messer oder dem Daumennagel entfernen, nur die gelben Teile gehören in den Topf. Die Grammzahl hört sich recht niedrig an, doch gezupft und locker in einen Messbecher geschichtet ergibt das fast einen Liter (!) voll winziger Blütenblättchen. Um die Konsistenz von Honig zu erreichen, den Kochvorgang auf 2-3 Stunden ausdehnen. Weil bei mir der grösste Teil des Sirups in Tees landet oder zum Kochen und Backen verwendet wird, reicht mir das flüssigere Stadium. Ausserdem ist Sirup besser löslich, z.B. in Salatdressings.



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